Falsche Anreize für Airlines
Sobald die Corona-Pandemie ausgestanden ist, werden die Politiker deshalb kaum darum herumkommen, die Zahlungsmodalitäten im Fluggeschäft zu hinterfragen. Wenn heute Reisende Tickets kaufen, landet das Geld innerhalb weniger Tage über das System des Branchenverbandes Iata namens BSP bei der Airline. Je nach Reisezeitpunkt liegt der Betrag dann monatelang auf einem Konto der Fluggesellschaft. Und in dieser Zeit kann, wie man nun sieht, vieles geschehen.
Die Zahlungsfristen im Fluggeschäft waren schon vor Ausbruch der Pandemie umstritten, bloss übte niemand genügend Druck auf die Airlines aus. Diverse Fluggesellschaften sind in den vergangenen Jahren in Konkurs gegangen (Germania, Monarch, Air Berlin, British Midland Airways), und Touristen sowie Reiseveranstalter haben dadurch viel Geld verloren.
Ein Grund für diese Konkurswelle besteht darin, dass die Zahlungsmodalitäten im Airline-Geschäft falsche Anreize setzen. Für Fluggesellschaften, die knapp bei Kasse sind, ist unter dem herrschenden Regime die Verlockung gross, Flugtickets zu vergleichsweise niedrigen Preisen zu verschleudern. So sichern sie sich kurzfristig Liquidität, gehen aber das Risiko ein, mittelfristig erst recht in finanzielle Turbulenzen zu geraten. Gerade Air Berlin versuchte sich mit einer solchen Vertriebsstrategie zu retten.
Den Schaden hatten die Schnäppchenjäger unter den Flugpassagieren – und nicht selten die Staaten, die von der Öffentlichkeit dazu gezwungen wurden, die Passagiere zu entschädigen.
Deshalb ist es erstaunlich, dass Länder gegenüber Fluggesellschaften nicht schon längst strengere Saiten aufgezogen haben. Reiseveranstalter beispielsweise kennen einen sogenannten Garantiefonds. Er entschädigt Touristen, wenn ein Veranstalter Insolvenz anmeldet. Zur Diskussion stand auch schon, ob die Airlines erst dann auf das Geld der Passagiere zugreifen dürfen, wenn der Flug stattgefunden hat.
Beides wären Massnahmen, welche die Airlines in ihrer Geschäftspolitik einschränken würden und die man durchaus als Überregulierung ansehen kann. Allerdings geben die Airlines mit ihrem Cash-Management seit einiger Zeit ein schlechtes Bild ab. Sie vermitteln den Eindruck, als würden sie das Geld, das sie für künftige Leistungen bekommen haben, für den laufenden Betrieb verwenden. «Diese Gepflogenheit erinnert an eine Art Schneeballsystem», sagt Max E. Katz, Präsident des Schweizer Reiseverbandes und ehemaliger Finanzchef von Kuoni.
Nach wochenlangem wirtschaftlichem Stillstand geht es mittlerweile um viel Geld. Die Iata schätzt, dass die Fluggesellschaften mit Ticketverpflichtungen von 35 Mrd. $ in die Pandemie geflogen sind.